Heute beginnt in Bielefeld die Bundesdelegiertenversammlung von Bündnis90/Die Grünen. Das Ansinnen einer Gruppe grüner Delegierter, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen, wird mit “Patientenschutz” begründet und mit den üblichen “Argumenten” aus der Ecke selbsternannter Anti-Homöopathie-Experten begrünt. Doch nicht alle GRÜNEN gehen den Skeptikern auf den Leim: es gibt auch Gegenanträge. Die Diskussion ist nicht nur deshalb unsinnig, weil es in Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Antibiotikaresistenzen etc. sehr viel wichtigere grüne Themen gibt und Bürgerinnen und Bürger hier zu Recht Antworten und entschlossenes Handeln erwarten. Sie ist auch deshalb fehl am Platz, weil sie komplett die Interessen mündiger Patientinnen und Patienten ignoriert, die in einer offenen Gesellschaft ihr Recht auf freie Arzt- und Therapiewahl gewahrt wissen wollen. Die Entscheidung der Parteiführung, das Thema Homöopathie in ein Fachgremium auszulagern, ist daher im Interesse der Sache und der Bürgerinnen und Bürger zu begrüßen: nur auf diese Weise kann mit dem nötigen Ernst ein komplexes Thema auf seriöse Weise bearbeitet werden. Die leider medial  fast flächendeckend übernommene, kampagnenartig zugespitzte und teilweise wahrheitswidrige Darstellung der Studienlage zur Homöopathie lässt nicht nur Patient*innen ohne eigene Lobby im Regen stehen, sie entmündigt auch zahllose (Fach)Ärztinnen und (Fach)Ärzte mit homöopathischer Zusatzqualifikation und teilweise jahrzehnelanger Praxiserfahrung!

Nun hat ein Institut der  Universität Witten/Herdecke in einem Gutachten festgestellt, dass die Grundlagen des Anti-Homöopathie-Antrages eines Teiles der Grünen wissenschaftlich nicht haltbar sind. Dr. med. Harald J. Hamre und  Dr. med. Helmut Kiene kommen in ihrem wissenschaftlichen Gutachten zu einem eindeutigen Urteil:

Auffällig ist die Diskrepanz: Diese Aussagen [des Antrags] sollen ein ´Bekenntnis zu einer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Gesundheitspolitik` sein, es wird aber die tatsächliche Datenlage ignoriert und es werden lediglich ungeprüfte populäre Meinungsäußerungen übernommen.”

  1. Zum Wirkungsnachweis von hochverdünnten (homöopathisch potenzierten) Lösungen: Die Aussage „Eine Änderung der Wirksamkeit eines Stoffes durch die sogenannte Potenzierung ist nicht nachweisbar“ ist falsch. Wirkungen homöopathisch potenzierter Substanzen wurden in vielen Laborexperimenten mittels verschiedener Testverfahren nachgewiesen und auch bei wiederholten Untersuchungen bestätigt.
  2. Zur Wirksamkeit in Placebo-kontrollierten klinischen Studien: Die Aussage „Die fehlende Wirksamkeit homöopathischer Verfahren über den Placebo-Effekt hinaus wurde mehrfach in sehr großen und qualitativ hochwertigen Studien dargelegt“ ist falsch. Eine solche Wirksamkeit wurde in vielen klinischen Studien und in entsprechenden Meta-Analysen gefunden, auch bei Studien bzw. Meta-Analysen von höherer methodischer Qualität.
  3. Zu „Gefahren“ der Homöopathie: Die Aussage über ein „gesundheitliche[s] Risiko der verspäteten Behandlung durch Symptomverschleppung, wenn Homöopathika bei gefährlichen bzw. chronischen Erkrankungen anstatt eines Medikaments mit pharmazeutischen Wirkstoffen eingenommen werden“ beruht auf spekulativen Behauptungen ohne Evidenzgrundlage und ist von daher irreführend. Dass erforderliche Therapien nicht in Anspruch genommen werden, ist ein Allgemeinproblem in der Medizin. Ob dieses Problem im Kontext der Homöopathie häufiger als sonst vorkommt, ist offen. Die diesbezügliche Datenlage aus Fallberichten und vergleichenden Studien spricht gegen eine solche Hypothese.

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) steht mit seinen Ärzten und Wissenschaftlern den GRÜNEN für ein Fachgespräch jederzeit gerne zur Verfügung. Wichtig zur Bildung eines ausgewogenen Urteils ist jedenfalls die aus der Rechtssprechung bekannte Prämisse “audiatur et altera pars” (Man höre auch die andere Seite!). Derzeit wird diese Forderung medial mit Füßen getreten: zu Wort  kommen in den Medien nahezu ausschließlich die Gegner der Homöopathie, allermeist ohne jede homöopathische Grundausbildung, Kenntnis oder Erfahrung. Danke daher den Autoren des Gutachtens für ihre klare Stellungnahme! Und danke all denjenigen unter den GRÜNEN, die sich einer redlichen und sachorientierten Meinungsbildung verpflichtet fühlen.

Das gesamte Gutachten lesen Sie hier: Hamre_Kiene_-_Gutachten_zum_Antrag_V01

Dr. med. Ulf Riker, Facharzt für Innere Medizin / Homöopathie, 1. Vorsitzender LV Bayern