Dr. med. Susanne Sundermeyer ist seit 12 Jahren niedergelassen als hausärztliche Internistin in einer Kassenpraxis in Grafing bei München. Sie ist spezialisiert auf Homöopathie. „Das hat sich zunehmend aus meiner hausärztlichen Arbeit heraus entwickelt“, sagt sie im Gespräch mit dem Landesverband Bayern im DZVhÄ. „Das Schöne an meinem Beruf ist die Art und Weise wie ich hier arbeiten kann“, erzählt Susanne Sundermeyer, „ich schätze die freie Therapiewahl und vor allem meine Patienten.“ Als Hausärztin habe sie einen Querschnitt der Bevölkerung in ihrer Praxis, „von jung bis alt, vom unerfüllten Kinderwunsch bis hin zu Sterbebegleitung“, sagt sie.

Sie haben erst nach Jahren als Ärztin die Homöopathie für sich entdeckt, warum?

Nach meiner Facharztausbildung in einer großen Münchner Klinik und dem Beginn der Arbeit in einer hausärztlich-internistischen Praxis habe ich gemerkt, hier fehlt mir etwas, ich brauche noch mehr. Man entwickelt in der Praxis ein Gespür für die Menschen, die kommen. Manche haben etwa Sorgen, oder bestimmte Lebensumstände und man merkt, dass  die vordergründige Krankheit oft ein Ausdrucksventil für viel komplexere Zusammenhänge ist.  Spätestens dann, wenn eine Beschwerde immer wieder auftaucht, oder sich gar nicht erst bessern lässt, fängt man an, darüber nachzudenken, dass sich eine Krankheit nicht nur in  messbaren Werten zeigt, und wir Schwierigkeiten mit der konventionellen Medizin haben, hier einzugreifen. Diese Erkenntnis war der Auslöser dafür, mich auf den Weg zu machen, und  Methoden der Naturheilkunde kennen zu lernen.  Vor der Homöopathie bin ich dann zunächst erst einmal zurück geschreckt, sie erschien mir zu umfangreich und unscharf. Im Erlernen der  Akupunktur habe ich erstmals eine energetische Sicht- und Heilweise kennen gelernt. Es fehlte jedoch immer noch eine Möglichkeit,  effektiv und  möglichst zeitsparend und unabhängig vom Behandler zu Heilergebnissen zu kommen. Parallel dazu erlebte ich in meiner Familie, wie die Homöopathie aus einer schwierigen Krankheitsphase geholfen hat. So habe ich mich dann doch auf den Weg gemacht, und die Homöopathie zu studieren begonnen, und muss jetzt sagen, dass ich hier viel früher hingehört hätte! Es war ein Weg mit Umwegen, und auch nach 12 Jahren Praxis fühle ich mich gelegentlich noch immer als Youngster in der Homöopathie. Allmählich fange ich an, sicherer und souveräner in der Methode zu werden. Heute kann ich nicht verstehen, warum die Homöopathie nicht ein Kernfach der medizinischen Ausbildung an der Universität ist. Sie eignet sich ideal als Basismethode in der Hausarztpraxis.

Das war ja ein intensiver Weg – fließt heute die Homöopathie ganz selbstverständlich in Ihre Praxis ein?

Die Homöopathie ist in die Praxis hineingewachsen und nimmt einen immer größeren Raum ein. Ich wünsche mir, dass jeder Patient  auch in homöopathische Behandlung kommen kann. Viele Patienten kommen wegen der Homöopathie zu mir, um Hilfe zu suchen, für chronische Beschwerden und Krankheiten. Ich sehe darin eine ideale Ergänzung zu den meist bereits bestehenden konventionellen Therapien, um Krankheitslasten allmählich abzubauen, und zu einer besseren energetischeren Gesundheit zu gelangen. Die Menschen schätzen, dass sanfte Methoden zum Einsatz kommen. Die Homöopathie ist synergistisch einsetzbar und es kommen Patienten zu mir, gezielt für die homöopathische Konsultation, wobei sie oft in ihrer bisherigen hausärztlichen Einbindung verbleiben. Ich sehe in dieser kombinierten Arbeit ein Zukunftsmodell, dass jeder chronisch kranke Patient zur homöopathischen Mitbehandlung  überwiesen werden kann.

Wird die Homöopathie hier in der ländlichen Umgebung gut angenommen?

Ja, absolut. Die Homöopathie wird sehr von jungen Familien geschätzt. Ihr Wunsch ist, dass ihre Kinder mit möglichst wenigen pharmakologischen Interventionen aufwachsen, deshalb kommen sie mit den Allergien, Migräne, Schlafstörungen, Schulängsten in meine Hausarztpraxis und möchten eine homöopathische Therapie. Sie sind dankbar, dass es dieses Angebot hier gibt. Auch kommen viele sehr schwer erkrankte Menschen mit Autoimmunerkrankungen, anderweitig therapierefraktären Funktionsstörungen, psychosomatischen Störungen bis hin zum  Krebs, die eine weitere Therapieoption für sich ausprobieren möchten. Dann gibt es aber auch die Patienten, die gar nicht wissen, was Homöopathie ist. Ihnen eröffne ich die Möglichkeit, etwa Schmerzzustände bei Arthrosen oder auch degenerative Erkrankungen, wie etwa Herzinsuffizienz mit der Homöopathie zu verbessern. Dies sind öfters ältere Patienten und viele sind dann auch ganz glücklich, dass sie die Homöopathie kennen gelernt haben.

Wo sehen Sie die Homöopathie in der näheren Zukunft?

Unsere Zeit wird  kommen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Homöopathie in der Zukunft eine breite Basis finden wird. Sie  wird Teil der regulären Gesundheitsversorgung, da sie das Potential dafür hat. Dann werden Ärzte ihre chronisch kranken Patienten zu einem Homöopathen überweisen, der entsprechende Qualitätsmerkmale aufweisen muss. Ich denke, damit könnte eine große Erleichterung in der Bevölkerung geschaffen werden – das Modell gibt es ja schon bei der Psychotherapie. Es ließen sich enorme Ressourcen sparen, wenn Patienten eine  homöopathische Therapie durchlaufen, würden die Häufigkeit von  Krankenhausinterventionen oder polypharmakologische Dauermedikationen sehr vermindert. Das ist einfach meine tägliche Erfahrung. Die Homöopathie ist ein ungenutztes Potential. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass die Homöopathie an den Hochschulen gelehrt, und vor allem in ihren sinnvollen Einsatzmöglichkeiten weiter erforscht wird. Wir brauchen Pluralität auch in der Medizin!

Frau Dr. Sundermeyer, wie funktioniert Ihre Praxis in der Corona-Zeit?

Ja, die Welt steht Kopf und wir müssen uns natürlich auch darauf einstellen. Die Corona Fälle hatten wir vermutlich schon Anfang März. Als wir merkten, dass vermehrt Infektionsfälle auftraten, haben wir uns entsprechend der Vorgaben wie alle anderen Praxen auch an die sich wöchentlich ändernden Situationen angepasst. Es wurde erst langsam klar, was das für eine Erkrankung  ist, und welche Konsequenzen dies hat. Unseren Osterurlaub haben wir abgesagt, da ich für meine Patienten als homöopathische Ärztin da sein wollte, und auch sehr genau beobachtete, was passierte. Man kann bei dieser Infektion nicht sicher sein, es kann von einer kleinen harmlosen Erkrankung sehr schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation kommen.

Das heißt, Sie haben die Infektionspatienten auch homöopathisch behandelt?

Die Homöopathie hat in der Geschichte bei Epidemien wie z.B. der Spanischen Grippe, ihre Wirksamkeit bewiesen und ist zur Behandlung von Infektionserkrankungen lange vor unserem Zeitalter der modernen Pharmaka entwickelt worden. In meiner Praxis kamen Covid-Fälle vor.  Es gab einige Fälle von hochfieberhaften Infekten, die aber glücklicherweise alle nicht lebensgefährlich erkrankt waren, und in der Regel gut auf die Homöopathie ansprachen. Zum Glück hatten wir keine Patienten, die einer stationären Behandlung bedurften.

Sie haben auch den regionalen Behörden ihre Unterstützung angeboten?

Ja, als vor Ostern eine anrollende Corona-Welle vermutet wurde, und ich die Bilder aus Oberitalien und den Nachbarländern gesehen habe, habe ich mit den Behörden Kontakt aufgenommen. Ich hatte befürchtet, dass hier ganz viel Leid auf uns zukommen könnte, und ich wusste, dass wir mit der Homöopathie ein Instrument in der Hand haben, das bei einer Virusinfektionserkrankung wirksam sein kann. Warum sollten wir dieses Potential nicht nutzen? Ich stand unter einem sehr großen Druck. Es ging darum, eben alles zu tun, was möglich ist, um das Leid und die hohe Letalität dieser Erkrankung abzumildern. Vorstellbar war im Umgang mit der Erkrankung eine Auswahl von homöopathischen Mitteln zu finden, die sich bewähren, und die auch von Nicht-Homöopathen, oder sogar prophylaktisch angewandt werden können. Es geht darum, eine zusätzliche Möglichkeit der Krankheitslinderung auszunutzen, an die bisher zu wenig gedacht wird, und die mühelos synergistisch zur bestehenden supportiven Therapie sowohl ambulant als auch stationär angewandt werden kann.

Wie ist das angekommen?

Zum einen erschien es vor dem Hintergrund jahrelanger Negativpropaganda gegenüber der Homöopathie schwierig, die Zusammenarbeit mit den schulmedizinischen Kollegen herzustellen. Zu groß sind leider immer noch die Gräben und Vorurteile. Zum anderen stellte sich ziemlich schnell heraus, dass es dann  überhaupt keinen Bedarf gab. Die öffentlichen Beschränkungsmaßnahmen zeigten Wirkung, und es kam in meinem Umkreis glücklicherweise zu keiner wesentlichen Epidemiewelle.

Ich würde mir wünschen, …

dass die unnötigen Verleumdungen gegen die Homöopathie endlich sistieren, und eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der etablierten konventionellen Medizin in allen medizinischen Bereichen stattfinden kann. Das Ereignis der Pandemie hat uns gelehrt, wie sinnvoll es sein kann, die Homöopathie weiter zu entwickeln. Es ist nötig sehr viel Forschung auf diesem Gebiet zu machen, damit man die bestehenden Möglichkeiten und den sinnvollen Einsatz der Homöopathie herausfindet. Das wäre nur zum Segen der ganzen Menschheit.