München, 15. Mai 2025. Die Landesverbände Niedersachsen-Bremen und Bayern fassen eine engere organisatorische Kooperation bis hin zu einer möglichen Fusion ins Auge. Ziele sind, Ressourcen zu schonen, Synergien zu schaffen und Schlagkraft zu gewinnen. Im Interview mit Dr. Ulf Riker (Vorsitzender des LV Bayern) erläutert Dr. Ina Chammah (Vorsitzende LV Nidersachsen-Bremen) die aktuelle Lage in ihrem Landesverband und wie eine Kooperation der Landesverbände mit Leben gefüllt werden kann.
Riker: Kannst Du unseren bayerischen Mitgliedern die wichtigsten Daten und Charakteristika des LV Niedersachsen-Bremen zusammenfassen?
Unsere aktuelle Situation ist von strukturellen Herausforderungen geprägt, wie sie viele ehrenamtlich getragene Organisationen betreffen. Wir sind ein Verband, der sich in den vergangenen Jahren personell verkleinert hat: während wir im Jahr 2016 noch 259 Mitglieder zählten, sind es im Jahr 2024 nur noch 184. Dieser Rückgang ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass viele unserer langjährigen Mitglieder in den Ruhestand getreten sind, während neue Mitglieder ausbleiben.
In der Folge stoßen wir zunehmend an Grenzen: Die verbliebenen aktiven Mitglieder fühlen sich von den administrativen Aufgaben eines eigenständigen Landesverbands stark beansprucht. Für zusätzliche Aktivitäten – wie etwa Fortbildungen, Laienveranstaltungen, Ausbildung oder Angebote für Apotheker*innen – fehlt es schlicht an personellen Ressourcen. Die Sorge, durch eigenes Engagement schnell mit weiteren Aufgaben überhäuft zu werden, wirkt zudem abschreckend und hemmt die Bereitschaft, sich aktiv einzubringen.
Inhaltlich und menschlich zeichnet sich unser Verband durch eine ruhige, sachliche und konstruktive Atmosphäre aus. Niedersachsen-Bremen ist ein Flächenland mit einem insgesamt abwägenden und toleranten Charakter. Streitigkeiten oder tiefere Gräben gibt es bei uns kaum. Das spiegelte sich auch in der Themenwahl unseres DZVhÄ-Jahreskongresses 2016 in Bremen wider: „Vielfalt der Methoden“ – ein bewusst offenes, integratives Motto.
Vor diesem Hintergrund suchen wir den Anschluss an einen anderen Landesverband nicht aus einer Haltung des Rückzugs, sondern mit dem Wunsch, wieder aktiver für die Homöopathie eintreten zu können – ohne dabei unsere Kräfte in administrativen Aufgaben zu erschöpfen.
Riker: Worin siehst Du zusammen mit Deinen aktuellen VorstandskollegInnen die größten Chancen eines zukünftigen engeren Miteinanders?
Eine engere Zusammenarbeit mit einem anderen Landesverband – bis hin zu einer möglichen Fusion – sehen wir vor allem als Chance, Kräfte zu bündeln und unsere fachliche Arbeit wieder in den Mittelpunkt stellen zu können. Durch eine gemeinsame organisatorische Struktur könnten wir uns von vielen der derzeit belastenden administrativen Aufgaben entlasten, die aktuell einen Großteil unserer Kapazitäten binden. Das würde Raum schaffen für das, was uns eigentlich antreibt: die homöopathische Arbeit – sei es in der beruflichen Weiterbildung, der Nachwuchsförderung oder der öffentlichen Präsenz.
Zudem bietet ein größerer Verband die Möglichkeit, Kompetenzen und Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen, ohne dass einzelne Personen überlastet werden. Wir versprechen uns davon eine neue Motivation für bisherige wie auch potenziell neue Engagierte, da die Aufgaben klarer strukturiert, besser unterstützt und effizienter umgesetzt werden könnten.
Kurzum: Wir sehen in einem engeren Miteinander die Möglichkeit, mit weniger Belastung mehr Wirkung zu entfalten – und dabei unsere Werte und Erfahrungen in eine gemeinsame Zukunft einzubringen.
Riker: Derzeit gibt es ja zwischen dem Bundesvorstand des DZVhÄ und VorständInnen einzelner LVen ein bisschen Spannung wegen der Verteilung der Finanzmittel, aber auch hinsichtlich Autonomie und anderer ideeller Aspekte des Miteinanders. Hast Du eine Idee, wie es dazu gekommen ist, vor Allem aber, wie wir da wieder gut und gestärkt herauskommen können?
Was ich wahrnehme, ist ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Eigenständigkeit in den Landesverbänden und der Notwendigkeit gemeinsamer Strukturen und solidarischer Lösungen auf Bundesebene. Ich befürchte, dass manche Diskussionen um Autonomie in den Landesverbänden an einem Punkt angekommen sind, an dem sie den Gedanken der Solidarität überlagern – und das halte ich für riskant. Gerade in einer Zeit, in der die ärztliche Homöopathie in Deutschland politischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Gegenwind spürt, ist es aus meiner Sicht wichtiger denn je, als DZVhÄ zusammenzustehen. Der Solidargedanke ist keine romantische Idee – er ist die Grundlage dafür, dass wir als Berufsverband überhaupt handlungsfähig bleiben. Vereinzelung, Rückzug und eine allzu kleinteilige Verteilung von Ressourcen schwächen uns alle – organisatorisch wie ideell. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass die ärztliche Homöopathie in Deutschland auch in Zukunft eine starke, glaubwürdige und solidarisch getragene Stimme hat.
Riker: Liebe Ina, wir danken Dir sehr herzlich für Deine Zeit und Deine klaren Antworten!