In zahlreichen Feldern von Politik und öffentlicher Wahr-Nehmung erleben wir mehr denn je Spaltung und Polarisierung.  Viele Debatten seien in ihren Grundannahmen verbarrikadiert, meint z.B. die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, die Publizistin Franziska Augstein fordert Regierungen dazu auf, sich auf eine Kultur des Meinungsaustausches zu besinnen, und nach Meinung der Regisseurin Caroline Link funktioniert Demokratie nur dann, wenn man sich darüber einig sei, dass auch die Meinung Andersdenkender gehört werden muss.

Auch homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte erleben erregte Zuspitzungen im Diskurs um ihre Heilmethode: gebahnt von einer Handvoll Anti-Homöopathie-Aktivisten – mehrheitlich ohne einschlägige medizinische Kompetenz oder homöopathische Erfahrung – wird eine Heilmethode systematisch degradiert und demontiert, die sich tagtäglich und weltweit und immer wieder bewährt. Im Spektakel öffentlicher Demütigung ergehen sich Kabarettisten wie Böhmermann oder Wetterfrösche wie Kachelmann in höhnischen oder gehässigen Tiraden, in denen Ärzt:innen oder Patient:innen auf Twitter auch schon mal kriminalisiert werden. Das Unsägliche wird sagbar, Witze oder grobe Unhöflichkeiten kommen wie beiläufig daher, sind salonfähig und vergiften den Boden des Diskurses. Am Ende hält sich Jede und Jeder berufen, sein abfälliges Urteil – ob begründet oder nur in der eigenen Meinungsblase zusammengekratzt – in wohliger Selbstgerechtigkeit in die Welt zu twittern, zu schreiben oder zu schreien.

Das inzwischen etablierte geschlossene Denken zum Thema Homöopathie hat dazu geführt, dass Delegierte des jüngsten Deutschen Ärztetages Homöopathie aus der Muster-Weiterbildungsordnung katapultieren, ohne dass je ein ernsthafter und kollegialer Austausch von Gedanken, Erfahrungen oder Argumenten mit den entsprechenden Vertretern und Experten dieser Therapieform stattgefunden hat, ja nicht einmal ins Auge gefasst wurde.

Der Abstimmungsprozess als solcher ist demokratisch, die Konsequenzen sind es definitiv nicht! Weder die ärztlichen Kolleg:innen noch die große Zahl tatsächlicher oder zukünftiger Patient:innen war je in diesen Entscheidungsprozess einbezogen, hat aber ohne Klage- oder Widerspruchsrecht mit den Konsequenzen zu leben: mit der beschnittenen Wahlmöglichkeit einer Therapieform, die wie alle medizinischen Maßnahmen entsprechend qualifizierte Ausbildung und gewachsene Expertise voraussetzt. Es wird diese Ärzt:innen eines Tages nicht mehr geben! Auch Bienen wird es vielleicht eines Tages nicht mehr geben, Biodiversität wird es nicht mehr geben, und vielleicht wird es auch die Meinungsvielfalt nicht mehr geben, wenn die Muster und Ideale respektvoller, ergebnisoffener Diskurse erst ruiniert sind?

Was könnte die Konsequenz sein? Wir sollten uns alle, Patientinnen und Patienten, ärztliche Kolleginnen und Kollegen, Vorstände von Körperschaften, Krankenkassen und Verbänden, Delegierte in demokratisch aufgebauten Strukturen, Redakteur:innen, Medienschaffende, geistvolle Kabarettisten, Politiker:innen, Künsteler:innen, Biolandwirte, Eltern mit kleinen Kindern oder alten Eltern, Selbst- und Mitdenker:innen, enkeltauglich orientierte Menschen jeden Alters und jeder Herkunft, spirituell oder wissenschaftlich Interessierte und Viele mehr …: wir sollten uns dazu bekennen, dass nicht Polarisierung uns weiter bringt, sondern eine Kultur des Dialogs und des gegenseitigen Respektes. Eine Kultur auch, die dem Suchen unvoreingenommen Raum lässt, die Wissen und Erfahrung gleichermaßen wertschätzt, die auf zwischenmenschliche und gesellschaftliche Werte aufbaut, die eigene Irrtumsmöglichkeit für möglich, aber vor Allem im Blick behält, dass manche Zerstörungen irreversibel und manche Verluste unwiederbringlich sind. Das gilt für unsere Demokratie ebenso wie für die Homöopathie, für zwischenmenschliche Beziehungen ebenso wie für die eine oder andere politische Entscheidung

Dr. med. Ulf Riker, 1. Vorsitzender LV Bayern, 2. Vorsitzender DZVhÄ