Am 18. November findet alljährlich der Europäische Antibiotikatag statt. Ein Ziel dieser Kampagne ist, die Sensibilisierung für den Einsatz von Antibiotika weiter zu erhöhen und über die steigende Resistenzbildung aufzuklären. Der Landesverband Bayern des DZVhÄ hat mit homöopathischen Ärztinnen und Ärzten gesprochen, wie sie in ihren Praxen mit Antibiotika umgehen und die Frage gestellt, ob sie mit Hilfe der Homöopathie Antibiotika reduzieren können.

Dr. med. Christian Lucae ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit den Schwerpunkten Homöopathie und Naturheilverfahren – er behandelt seine Patienten ganz im Sinne einer integrativen Medizin. Lucae arbeitet in einer Praxisgemeinschaft zusammen mit einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in München.

Welche Erkrankungen behandeln Sie hauptsächlich in Ihrer Praxis?

Das ganze Spektrum akuter und chronischer Erkrankungen, vorwiegend aus dem pädiatrischen Bereich: akute und wiederkehrende Infektionen, Allergien, Hauterkrankungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Entwicklungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Ängste etc. Dann natürlich auch Vorsorgeuntersuchungen, Hör- und Sehtests, Impfungen, Ernährungsberatung u.a.m., wie es in einer pädiatrischen Praxis üblich ist.

Wie sieht Ihre Erfahrung aus, können Sie in Ihrer Praxis Antibiotika durch Homöopathika ersetzen?

Diese Frage ist natürlich legitim – aber für meine Begriffe passt „Ersetzen“ hier nicht: Zunächst einmal versucht man ja überhaupt Antibiotika zu vermeiden – dies ist kein Spezifikum der Homöopathie, sondern aufgrund der zunehmenden Antibiotikaresistenzen mittlerweile eine globale Herausforderung in der Medizin geworden. Ob im Rahmen entsprechender Kampagnen diverser Fachgesellschaften, bei aktuellen infektiologischen Fortbildungen oder bei der Überarbeitung diverser Leitlinien wird diesem Ziel bereits Rechnung getragen. Viele Kliniken führen mittlerweile ein rigoroses Antibiotic Stewardship durch, wodurch sich die Anwendung von Antibiotika drastisch reduzieren lässt. Wenn Antibiotika aufgrund des vorliegenden Krankheitsbildes dennoch dringend indiziert sind, verordnet man sie selbstverständlich und sucht dann nicht nach einer „Alternative“. Diese Polarisierung, ein „Entweder-oder“ bzw. „Ersetzen“, kann ich also so nicht nachvollziehen. Oberstes Ziel sollte doch immer sein, das Beste für den Patienten anzubieten, auch nach dem Prinzip „primum nihil nocere“.

Wenn aktuell in den Medien getitelt wird: „Bayerische Politiker lassen allen Ernstes prüfen, ob homöopathische Mittel gegen resistente Keime wirken“, liegt hierin ein großes Missverständnis: Während ein Antibiotikum wie das häufig eingesetzte Amoxicillin als bakterizid wirkendes Breitspektrumpenicillin an der Zellwand von Bakterien wirksam wird, kann ein solcher Wirkmechanismus für homöopathische Arzneien natürlich nicht gezeigt werden. Insofern ist die Annahme einer direkten Wirksamkeit „gegen Keime“ nicht passend. Vielmehr geht es in der Homöopathie um Regulation und Umstimmung des Organismus, sozusagen um einen Lenkungseffekt, um die körpereigenen Abwehrmöglichkeiten zu unterstützen.

Wie ist der Krankheitsverlauf, wenn Sie Homöopathika einsetzen – unterscheidet er sich, zur konventionellen Behandlung?

Die Frage ist nun vielmehr: Was kann ich einem Patienten in dem Moment therapeutisch noch anbieten, wenn eine antibiotische Therapie aktuell nicht indiziert ist – z.B. bei Virusinfektionen, bei einer Bronchitis oder einer Tonsillitis –, um den Krankheitsverlauf abzukürzen und Symptome wie Schmerzen oder Schluckbeschwerden zu lindern. Dann bietet sich die Homöopathie besonders an. Meist sind die Verläufe dann deutlich positiver, als wenn man ein rein abwartendes Verhalten im Sinne eines „therapeutischen Nihilismus“ an den Tag legt. Beispielsweise ist die Schmerzlinderung bei einer akuten Otitis media durch homöopathische Arzneien wie Belladonna, Pulsatilla oder Mercurius oft verblüffend und so prompt, dass man sogar auf Schmerzmittel verzichten kann.

Wie hoch schätzen Sie in Prozent Ihre Antibiotika-Reduzierung?

Ob der ohnehin schon sehr geringe Antibiotikaeinsatz in meiner Praxis durch Homöopathie wirklich reduziert wird, vermag ich nicht zu beantworten. Ich hoffe es natürlich! In erster Linie versuche ich, die oben genannten Leitlinien zu berücksichtigen und unnötige Antibiotikaverschreibungen primär zu reduzieren. Möglicherweise kommt es dann durch den Einsatz von homöopathischen Arzneien zu günstigeren Verläufen, die eine sekundäre Verschreibung eines Antibiotikums erübrigen. Dies wäre eine Fragestellung für Outcome-Studien, die große Fallzahlen berücksichtigen.

Wird Ihre Erfahrung durch Studien gedeckt?

Tatsächlich gibt es zu dem Thema bereits einige Untersuchungen. Exemplarisch könnten diese beiden zitiert werden:

In der EPI3 Studie, einer Kohortenstudie aus Frankreich mit über 500 Patienten, konnte ein signifikant geringerer Verbrauch von Antibiotika gezeigt werden, wenn die Patienten von homöopathischen Hausärzten behandelt wurden.

In einer gesundheitsökonomischen Studie konnten relevante Einsparungspotentiale bei ähnlichen klinischen Effekten in der Homöopathiegruppe im Vergleich zu konventioneller antibiotischer Therapie gezeigt werden.

Diese zwei Beispiele zeigen, dass Effekte der Homöopathie im Kontext einer Antibiotikavermeidung in der Alltagspraxis durchaus in entsprechenden Settings abgebildet werden können.

Bitte schildern Sie uns kurz einen Fall

Eine typische Situation aus der Kinderarztpraxis: Ein 6 Jahre altes Mädchen wird mit „Verdacht auf Streptokokken“ in die Praxis gebracht. Es bestehen Halsschmerzen, Fieber und Frösteln. Die Halsschmerzen werden durch warmen Tee gelindert, die Schmerzen strahlen in die Ohren aus, der Hals ist außen druckempfindlich. Bei der Untersuchung sehen die Tonsillen vergrößert und gerötet aus, es besteht eine Halslymphknotenschwellung. Der Streptokokken-Schnelltest ist positiv, die Diagnose lautet somit: Streptokokken-Angina (GAS-Tonsillopharyngitis).

Gemeinsam mit den Eltern der Patientin werden Vor- und Nachteile einer antibiotischen Therapie auf Grundlage der aktuellen Empfehlungen (vgl. DGPI-Handbuch 7. Auflage 2018) besprochen. Wir entscheiden uns schließlich für Hepar sulfuris C 30, 2 × 3 Globuli und eine Kontrolle nach spätestens 48 Stunden. Das Mädchen wird schon am Folgetag beschwerdefrei, der Kontrollbefund ist unauffällig.

Wie reagieren die Patienten auf Ihr Angebot?

Naturgemäß sind die Patienten und ganz besonders die Eltern erkrankter Kinder stets auf der Suche nach der schonendsten Behandlung und wollen es in der Regel „ohne Antibiotika schaffen“. Oft erlebe ich es umgekehrt: Bei einer dringend indizierten antibiotischen Behandlung bedarf es teilweise mehr Überzeugungsarbeit meinerseits als im umgekehrten Fall, wenn Antibiotika nicht indiziert sind und eine unterstützende homöopathische Therapie ausreicht.