Es mag verführerisch sein, sich zu Wort zu melden, wenn das Sommerloch sich öffnet und der Parteichef auf Hochzeitsreise weilt. Dann kann mal als FDP-Vize schon mal ein Statement raushauen, das vielleicht nicht allzu relevant, aber immerhin aufmerksamkeitsträchtig ist: „Homöopathie ist nachweislich wissenschaftlich nicht wirksam“ und solle daher in Anbetracht der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherungen als Kassenleistung gestrichen werden.

Na ja, Herr Vogel, Homöopathie macht im Durchschnitt der letzten Jahre gerade mal 3-5 Promille der Krankenkassenkosten aus. Das könnte man zur Not auch noch streichen, wenn vorher alle anderen hochkarätigen Posten mit Einsparpotential in Angriff genommen wären. Sind sie aber nicht! Warum also das Mäuschen verjagen, solange der Elefant noch im Zimmer steht? Lassen wir mal alle strukturellen Kostentreiber unseres Gesundheitssystems außer Acht und betrachten nur den Sektor alltagsrelevanter Interventionen (und zwar inklusive der Homöopathie!). Dann könnte man – entsprechende Recherchebereitschaft vorausgesetzt – in Erfahrung bringen, dass es um die Evidenz konventioneller Interventionen ziemlich schlecht bestellt ist (das sagt bloß niemand, weil wir dann in der Medizin alle ziemlich nackt da stünden!). Ein aktuell im Journal of Clinical Epidemiology (Volume 148, August 2022, Seite 160-169) veröffentlichter Beitrag stellt fest, dass nur 6 % aller Cochrane-Reviews solide belegte Hinweise auf Wirksamkeit geben. Ziemlich wenig eigentlich, lieber Herr Vogel, finden Sie nicht? Im Gegensatz dazu steht die Homöopathie nicht schlecht da mit ihrer Studienlage, sofern man auch Grundlagen- oder Versorgungsforschung berücksichtigt.

Homöopathie sei „nachweislich nicht wirksam“: woher sollen das eigentlich die arsenvergifteten Wasserlinsen wissen, wenn sie sich anschließend unter Einfluss von homöopathisch potenziertem Arsen rascher erholen als ihre unbehandelten „Schwestern“? Ach ja, und auch die Patientinnen und Patienten bilden sich ihre Besserungen und Heilungen unter homöopathischer Therapie auch nur ein, weil ja alles nur „Placebo“…? Die so Verhöhnten könnten – lieber Herr Vogel, lieber Herr Lauterbach, und ja, auch liebe GRÜNE –  ja immerhin zu dem Ergebnis kommen, dass sehr Vieles von dem, was als politisch alternativlose Maßnahmen verkauft wird bei genauerem Hinsehen ebenfalls recht wenig Evidenz und noch weniger Wirksamkeit hat. Ist nicht auch das Zusammentreffen gleich mehrerer weltweiter Krisen (Diversitätsschwund, „Heißzeit“, Antibiotikaresistenzen, Makroplastik in Weltmeeren und Mikroplastik im Menschen…) unter regelmäßiger Begleitung von Wissenschaft und Expertenbeiräten  entstanden? Woher nehmen Sie eigentlich die Chuzpe, über Homöopathie zu urteilen, ohne sie unvoreingenommen, ideologiefrei und ernsthaft analysiert und in Relation zu wesentlich wichtigeren Problemen gestellt zu haben?

„Si tacuisses“, möchte man jenen zurufen, die ohne Recherche, in selbstgefälligem Überschwang, manchmal aus Profilierungssucht oder weltanschaulicher Voreingenommenheit sich zu Wort melden, ohne vorher ernsthaft nachgedacht zu haben. Denn auch das gehört noch zur ganzen Wahrheit im leichtfertigen Wegsparen von Summen im Promillebereich: homöopathie-affine Patientinnen und Patienten sind in der Regel Menschen mit einer hohen Gesundheitskompetenz, die durch gesundheitsbewusstes Verhalten und ihre Bereitschaft zu therapeutischer Eigenleistung (z.B. homöopathische Selbstmedikation ohne Kosten für die Solidargemeinschaft) ihren Krankenkassen Kosten sogar sparen können. Diese Ressource durch kurzschlüssige Politaktionen zu beeinträchtigen wäre wohl ein klassisches Eigentor!

Also kann man zu Recht unterstellen, dass ein Einspareffekt zu Lasten der Homöopathie bestenfalls ein Placebo-Effekt für die Kassen sein wird: klingt gut, gefällt vielleicht einigen Polit- und Wirtschaftsfunktionären, fällt aber unter dem Strich weit hinter die Homöopathie zurück, bei der es nämlich neben dem Placebo-Effekt auch eine Arzneiwirkung gibt. An Letzterem kann man bei Betrachtung mancher Maßnahmen unserer Gesundheitsbürokratie getrost zweifeln.

Dr. med. Ulf Riker, 1. Vorsitzender LV Bayern, 2. Vorsitzender DZVhÄ