Homöopathen nehmen Ähnlichkeiten wahr, das ist eine ihrer Kernkompetenzen jenseits dessen, was sie als Ärztinnen und Ärzte im Bereich der konventionellen Medizin gelernt haben. Hier ist selbstverständlich nicht der Raum für eine vollständige vergleichende Analyse. Weil aber teilweise gute Therapieerfolge bei der Spanischen Grippe beschrieben sind, können ein paar vergleichende Aspekte vielleicht hilfreich sein.

  • Was ist ähnlich?

In beiden Fällen handelt es sich um hoch ansteckende Viren. Erreger-Reservoir sind Tiere, vermutlich erfolgt der Übergang vom Wirtstier auf den Menschen nach Mutation des Virus. Das aktuelle SARS-CoV (Corona) stammt ursprünglich aus Fledermäusen in Südostasien. Der Erreger der Spanischen Grippe war ein Influenzavirus, das wohl aus einer Garnison in Kansas stammt; dort wurden zur Verpflegung der Soldaten auch Schweine und Hühner  gehalten, die Virusträger waren. In beiden Fällen erfolgt die Verbreitung meist durch asymptomatische Virusträger.  Vor Allem werden die unteren Atemwege im Sinne einer interstitiellen Pneumonie betroffen, als Komplikation kam und kommt es damals wie heute zu bakteriellen, potentiell tödlichen Sekundärinfektionen der Lunge (bakterielle Pneumonie).

  • Was ist unterschiedlich?

Die Spanische Grippe verlief in den Jahren 1918/19 in drei aufeinander folgenden Wellen rund um den Globus; die erste Welle war noch relativ harmlos, die zweite im Herbst 1918 meist tödlich. Betroffen waren vor allem Menschen zwischen 20 und 40 Jahren. In den Zeiten nach dem Krieg waren die Menschen ausgezehrt und oft von Tuberkulose betroffen. Es gab keine Antibiotika und kein Medizinsystem, wie wir es heute bei uns kennen.

Von Covid-19 kennen wir seit Ende letzten Jahres erst den Anfang, die weitere Entwicklung (bis zum Erreichen einer „Herden-Immunität“) ist unbekannt. Von schweren Verläufen betroffen sind (bisher) vor allem ältere und chronisch kranke Menschen. Es scheint plausibel, dass sowohl in China wie auch z.B. in Norditalien die Zahl der schweren Verläufe und der Todesfälle mit massiver Umweltbelastung und entsprechend vorgeschädigtem pulmonalen System korreliert.  Die aktuelle Pandemie trifft weltweit auf sehr unterschiedliche Medizinsysteme; in zahlreichen armen Ländern ist eine entsprechende Infrastruktur nur rudimentär vorhanden oder gar nicht einsatzbereit, überraschenderweise trifft die Pandemie aber auch die reicheren Länder (Europa, USA)  überraschend unvorbereitet – vermutlich, weil die Medizinsysteme unter steigendem ökonomischem Druck und einer progredienten Kommerzialisierung der Medizin standen.

  • Was folgt daraus?

Bereits 1918 wurde – ebenso, wie heute – darauf hingewiesen, nicht zu „Spucken, Husten oder Niesen“ und wenn, dann nur in ein Taschentuch oder die Ellenbeuge. Außer Quarantäne und Aspirin gab es keine relevanten Therapieoptionen. Heute ist es, abgesehen von den intensivmedizinischen Möglichkeiten nicht viel anders: keine antiviralen Medikamente, keine Impfung, experimentelle Therapieversuche (Remdesivir, eigentlich gegen Ebola entwickelt, nicht zugelassen; Hydroxychloroquin, gegen Malaria), ansonsten symptomatische Therapien. Das Argument, durch Homöopathie würde den Patienten eine wirksame Therapie vorenthalten, geht in der aktuellen Situation also ins Leere. Somit sollte es Ärztinnen und Ärzten mit Zusatzbezeichnung Homöopathie und ausreichender Praxiserfahrung gestattet sein, in den Grenzen des Möglichen ihre homöopathische Expertise zu Gunsten der ansonsten unbehandelten und lediglich in Quarantäne geschickten Patientinnen und Patienten ein zu bringen. Jeder Arzt kann erkennen, wann eine Krankheit in ein schweres und womöglich intensivpflichtiges Stadium übergeht, wann also z.B. eine Virus-Pneumonie beatmungspflichtig zu werden droht. Beachtet man die Erfahrungen aus der Anwendung der Homöopathie in zurückliegenden Epidemien und zugleich die roten Linien, jenseits derer moderne Intensivmedizin zum Einsatz kommen muss, dann stellt die Homöopathie eine therapeutische Chance für betroffene Patientinnen und Patienten dar und sollte in diesem Rahmen – gerne unter wissenschaftlicher Begleitung – sich bewähren dürfen, und sei es nur als „Super-Placebo“, womöglich aber auch deutlich darüber hinaus. Als homöopathische Ärztinnen und Ärzte sind wir zu einer abgestimmten Zusammenarbeit unter besonderer Berücksichtigung der Patientensicherheit jederzeit gerne bereit und in der Lage.

Autor: Dr. med. Ulf Riker, Vorsitzender des LV Bayern im DZVhÄ