Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach

seit 35 Jahren bin ich Facharzt für Innere Medizin und integriere seit ähnlich langer Zeit Homöopathie immer dann, wenn dies sinnvoll und möglich erscheint. Ihren Vorstoß, die Homöopathie als Kassenleistung zu eliminieren nehme ich mit Unverständnis zur Kenntnis, Ihre Äußerungen in veröffentlichten Interviews aber bestürzen mich, zumal Sie ja im gleichen Zusammenhang von Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit sprechen.

Ich nehme Sie mit den 4 folgenden Zitaten beim Wort

  • „Die Orientierung an wissenschaftlicher Erkenntnis ist die Basis meiner Arbeit“.
  • „Ich kann nicht medizinischen Unsinn weiter bezahlen lassen, nur damit ich einem öffentlichen Streit um das Thema aus dem Weg gehen kann.“
  • „Wissenschaftliche Fundierung der Gesundheitspolitik gibt es entweder ganz oder gar nicht“
  • „Deshalb werde ich kein Auge zudrücken, wenn etwa mit Zuckerglobuli Krebs behandelt wird.“

Als homöopathisch ausgebildeter Facharzt nehme ich auch im Namen vieler meiner Kolleginnen und Kollegen wie folgt Stellung:

  • Auch für mich und für uns alle ist wissenschaftliche Erkenntnis eine Basis unserer Arbeit. Der Praxisalltag zeigt jedoch in vielen Fällen, dass darüber hinaus auch klinische Erfahrung notwendig ist, um Therapieleitlinien individuell adäquat anwenden zu können. Die Kombination aus Wissenschaft und Erfahrung macht Ärztinnen und Ärzte erst zu dem, was Patienten zurecht erwarten. Diese Kombination erwächst aus unserem Versorgungsalltag, das unterscheidet uns von Ihnen als Minister.
  • Als Ärztinnen und Ärzte machen wir keinen medizinischen Unsinn! Diese Unterstellung ist unanständig und ehrenrührig. Wir ergänzen unsere ärztliche Tätigkeit durch eine seit mehr als 200 Jahren weltweit bewährte Methode, die in ärztlicher Hand absolut sicher ist: wir können einschätzen, wann Homöopathie sinnvoll sein kann und wann sie hinter konventionellen Therapiemaßnahmen zurück zu stehen hat. Es ist Unsinn, uns als Ärztinnen und Ärzten das Gegenteil zu unterstellen.
  • Es gibt in der ärztlichen Praxis ein „Dazwischen“ zwischen „ganz oder gar nicht“! Für manche Praxissituationen existieren gar keine passenden Therapieleitlinien, Ähnliches gilt für Multimorbidität, und in der Begleitung von Schwangeren, stillenden Frauen oder Sterbenden stoßen wir als Mediziner immer wieder an die Grenzen unserer therapeutischen Möglichkeiten. Ein ministeriell verfügtes de-facto-Verbot der Homöopathie bringt uns hart an die Grenze zur unterlassenen Hilfeleistung!
  • Wir behandeln Krebs nicht mit Zuckerglobuli! Diese bewusst falsche Zuspitzung macht deutlich, dass Ihnen Polemik wichtiger zu sein scheint als den „öffentlichen Streit“ mit Sachargumenten zu führen: Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften) hat in ihrer S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient:innen“ der Homöopathie immerhin ein Evidenz-Level 2b bescheinigt. Im Übrigen kann Homöopathie natürlich keinen Krebs heilen, aber sie kann nach meiner Erfahrung begleitend und palliativ sehr wertvolle Dienste leisten bei Patientinnen und Patienten, die sich körperlich und seelisch in oft auswegloser Situation befinden.

 Sehr geehrter Herr Minister,

bitte machen Sie sich die Mühe, die aktuelle wissenschaftliche Faktenlage zur Homöopathie (Grundlagenforschung, Versorgungsforschung, Klinische Forschung inkl. des jüngsten systematischen Review zu den vorliegenden 6 Metaanalysen) zur Kenntnis zu nehmen und in Ihre Einschätzungen mit einzubeziehen! Es liegen ausreichend Nachweise vor, dass homöopathische Präparationen in experimentellen Versuchsanordnungen eine Wirksamkeit zeigen und dass individualisierte homöopathische Arzneitherapie beim Menschen zu Effekten über den Placebo-Effekt hinaus führt.

Auch ich – und wir alle vertreten die Prinzipien der Evidenzbasierten Medizin. EbM untersucht bekanntlich die Wirksamkeit von Arzneien, nicht deren Wirkmechanismus. Aus einem noch fehlenden plausiblen Modell zum Wirkmechanismus der Homöopathie auf deren Unwirksamkeit zu schließen entspricht sicher nicht den Regeln einer ergebnisoffenen Wissenschaft.

Mit freundlichem Gruß

Dr. med. Ulf Riker, Internist – Homöopathie – Naturheilverfahren

München, den, 2. Februar 2024

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DZVhÄ-Kongress, 9.-11. Mai 2024 Lindau im Bodensee: