München, 18. Januar 2024. Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) fasst in ihren Leitlinien den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zusammen:

  • Es handelt sich um systematisch entwickelte Handlungsempfehlungen.
  • Diese dienen der Unterstützung bei der Entscheidungsfindung über die angemessene Behandlung einer Krankheit.
  • Sie sollen gute klinische Praxis fördern.
  • Entscheidungen in der medizinischen Versorgung sollen auf eine rationale Basis gestellt werden.
  • Sie sollen die Stellung des Patienten als Partner im Entscheidungsprozess stärken.
  • Im Idealfall stellen sie den aktuellen Kenntnisstand gesicherten medizinischen Wissens dar.
  • Sie sind (im Gegensatz zu Richtlinien!) rechtlich nicht bindend.

Die ärztliche Homöopathie, wie sie vom DZVhÄ (Deutscher Zentralverein homöpathischer Ärzte) vertreten wird, basiert ebenfalls auf Leitlinien.

Diese haben ihre Grundlage in Hahnemanns „Organon“, wurden später von zahlreichen Homöopathen aus vielen Ländern bezüglich ihrer praktischen Anwendung erfahrungsgestützt weiter ausformuliert und waren seit Jahrzehnten konsequent umgesetzter Lehrinhalt der von Ärztekammern anerkannten Curricula der Weiterbildung.

Im Kern handelt es sich um folgende Arbeitsschritte der ärztlich-homöopathischen Praxis:

  • Anamnese-Erhebung mit dem Ziel, ein vollständiges Symptomen-Mosaik bei einem Kranken zu erheben. Dazu gehören der Ort einer Krankheit, die (subjektive) Empfindung der Krankheitserscheinungen, die Modalitäten der (spontan zu beobachtenden) Besserung und Verschlimmerung der Symptome, die Berücksichtigung von Begleitsymptomen (lokal, in anderen Körperregionen oder allgemein) sowie eine plausible und zeitnahe Ursache für die Entwicklung der Krankheit.
  • Die körperliche Untersuchung jedes Patienten.
  • Hierarchisierung der Symptome nach Kriterien der individuellen Besonderheit, einem unter Umständen wiederkehrenden Symptomen-Muster bei rezidivierender Symptomatik, der Beschwerdeintensität sowie krankheitstypischer (pathognomonischer) Symptome.
  • Repertorisation der ausgewählten Symptome nach klar definierten Regeln mit dem Ziel einer exakt nachvollziehbaren Arzneiwahl unter besonderer Berücksichtigung der Widerspruchsfreiheit sowie Festlegung möglicher Arznei-Alternativen.
  • Materia-Medica-Vergleich, also die Klärung, ob das „Arzneimittel-Bild“ einer ausgewählten Arznei tatsächlich in allen Teilaspekten dem „Symptom-Bild“ des Patienten entspricht.
  • Konsequente Verlaufsbeurteilung (Follow-up) unter Therapie mit der gewählten Arznei, dabei Klärung der Frage, was sich verbessert, verschlechtert oder unverändert geblieben ist und ob neue Symptome aufgetreten sind.

Ärztliche Homöopathie muss im Interesse der Patienten-Sicherheit immer berücksichtigen, ob eine konkrete Krankheit grundsätzlich oder erfahrungsgemäß einer homöopathischen Behandlung überhaupt zugänglich ist, ob Heilung zu erwarten ist, ob es sich um Palliation handelt oder ob Homöopathie kontraindiziert sein könnte.

In diesem Zusammenhang ist obligate Voraussetzung, dass sich homöopathisch tätige Ärzt:innen Rechenschaft darüber ablegen, welche diagnostischen Schritte erforderlich sind, welche Therapiemöglichkeiten die konventionelle Medizin anzubieten hätte, mit welchen möglichen Nebenwirkungen zu rechnen wäre und ob im konkreten Einzelfall und aus Kenntnis der Patienten-Vorgeschichte Unverträglichkeiten zu erwarten wären.

Evidenzbasierte Medizin (EbM) setzt nicht zuletzt – und per definitionem! – auch voraus, dass die Wünsche der Patient:innen Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang ist die Aufklärung über Möglichkeiten und Grenzen der Homöopathie und ein Abwägen mit vorhandenen konventionellen Behandlungsoptionen unabdingbar.

Wenn alle genannten Leitlinien konsequent zur Anwendung kommen, dann erfüllen sie uneingeschränkt alle Aspekte, wie sie auch für konventionelle medizinische Leitlinien gelten:

  • Das Vorgehen ist
  • Die individuelle und korrekte Arzneiwahl findet durch die Leitlinien wirksame Unterstützung.
  • Die Berücksichtigung der Leitlinien fördert eine gute homöopathische und klinische Praxis.
  • Die Arzneiwahl erfolgt auf rationaler Basis.
  • Patienten sind durch die besonders ausführliche Anamnese (mit Beachtung sowohl objektiver Befunde als auch des subjektiven Befindens) in weit höherem Masse als in der konventionellen Medizin Partner im Therapieprozess,
  • Die Anwendung der Leitlinien berücksichtigt den aktuellen, individuellen Kenntnisstand des homöopathisch tätigen Arztes / der Ärztin.
  • Die Einhaltung dieser Leitlinien ist im Interesse der Verschreibungssicherheit für alle homöopathisch tätigen Ärzt:innen

Der DZVhÄ hat seit Jahrzehnten in seinen Weiterbildungs-Curricula die theoretischen Grundlagen (A-F-Kurse) mit der praktischen Anwendung (örtliche / regionale Weiterbildungsgruppen) verknüpft. Dies prädestiniert ihn zusammen mit der beschriebenen Leitlinien-Konformität in besonderer Weise dazu, seine ärztliche Weiterbildung im Kontext mit inzwischen etablierten Kriterien für eine CBME (Competency Based Medical Education) auf ein aktuelles und neues Niveau zu heben: das EPA-Konzept (Entrustable Professional Activities) bietet den Rahmen dafür. Die Schweiz ist bereits auf dem Weg, die ärztliche Homöopathie-Ausbildung in das EPA-Konzept umzuwandeln.

Auch der DZVhÄ kann und wird sich daran beteiligen, wobei gerade auch die jüngsten Ergebnisse einer wissenschaftlichen Evaluation der Homöopathie und Dokumentation ihrer Wirksamkeit entscheidenden Flankenschutz gegenüber möglichen kritischen Stimmen geben!

Autor: Dr.med. Ulf Riker, München

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DZVhÄ-Kongress, 9.-11. Mai 2024 Lindau im Bodensee: