Natalie Grams neues Buch: „Was wirklich wirkt: Kompass durch die Welt der sanften Medizin“ erschien am 18. Februar –
eine Rezension von Armin Huttenlocher
Ein neues Buch, das voller alt bekannter Vorwürfe und Vorurteile steckt. Die Autorin, die gerne mit ihrer eher kurzen Erfahrung als Ärztin und einer noch kürzeren als homöopathische Ärztin kokettiert, erweitert lediglich ihr Angriffsfeld von der Homöopathie auf alle Bereiche dessen, was sie als „sanfte Medizin“ bezeichnet und rhetorisch versiert bekämpft.
In zwölf Kapiteln wirft Natalie Grams der „sanften Medizin“ vor (gemeint sind die Therapieformen der integrativen Medizin), wechselweise Populismus („Wer heilt hat Recht!“), Täuschung und Selbsttäuschung („Als Homöopathin war ich jahrelang selbst von der Wirksamkeit ‚meines‘ Ansatzes felsenfest überzeugt und kann daher aus eigener Erfahrung bestätigen, wie blind die eigene Wahrnehmung für Argumente werden kann…“), oder gemeingefährliches Vorgehen (…dann ziehen die harten Impfgegner die üblichen faktenfernen Register, um Angst vor Nebenwirkungen oder gar Impfschäden zu schüren.“).
Mythen und Halbwahrheiten sollen entlarvt werden. Tatsächlich werden Halbwahrheiten aufgehäuft, um einen Mythos aufrecht zu erhalten: Den Mythos von der Schädlichkeit der integrativen Medizin und der komplementären Therapieverfahren. Einen „Kompass durch die Welt der sanften Medizin“ verspricht der Untertitel des Buches. Die Lektüre lässt eher auf einen in Irrungen und Wirrungen verfangenen Geist und auf eine Person schließen, die geprägt und getrieben ist von einer erheblichen Portion an Selbstüberschätzung gepaart mit dem dogmatischen Eifer einer späten Kreuzzüglerin:
35 Buchseiten reichen für eine Frau Doktor Grams, um acht verschiedenen Therapieverfahren (Homöopathie, Pflanzenheilkunde, TCM, Osteopathie, Chiropraktik, Yoga, Meditation, Anthroposophie) als pseudomedizinische Behandlungsmethoden, basierend auf unwissenschaftlichen Grundlagen „zu entlarven“, kurzum als „Scharlatanerie“.
Wenn das alles nicht so ernst gemeint wäre, und wenn das alles nicht darauf ausgerichtet wäre, gleich mehreren, teils seit Jahrhunderten etablierten, evident wirksamen und von vielen tausend Ärztinnen und Ärzten mit hohem Verantwortungsbewusstsein angewandten, medizinischen Therapieformen den Garaus zu machen, könnte man dieses Buch auch als tragikomische Selbstdarstellung verstehen.
Denn die Autorin spielt auf jeder Seite die Hauptperson: Sie ist die strahlende Göttin der Weisheit, die durch ein (natürlich fremdverschuldetes Unglück!) in die Hände der Scharlatane gefallen war, dort zur Kultfigur im bösen Tempel der homöopathischen Behandlung aufstieg (sogar Patienten aus den USA flogen extra zu ihr ein), bevor ihre eigene, unersättliche Wissbegier, ihr die verblendeten Augen wieder öffnete und ihr half, sich selbst zu befreien.
Frau Doktor Natalie Grams: ein weiblicher Paulus, der einst ein Saulus war und nun als Messias des einzig wahren Wissens („Was wirklich wirkt“) gegen die integrative Medizin zu Felde und, für gutes Honorar, durch alle Talkshows zieht.
Nein, man muss dieses Buch nicht lesen. Und niemand braucht Frau Natalie Grams, um die „Alarmzeichen“ erläutert zu bekommen, „an denen Sie Scharlatane erkennen können“. Die erkennen Millionen vernünftiger Menschen und Patienten mithilfe ihres eigenen, gesunden Menschenverstands. Und wenden sich deshalb stattdessen an einen der zahlreichen ärztlichen Homöopathen, die nichts mit den Klischees zu tun haben, die Frau Doktor Grams in ihrem Buch so wortreich aber fern jeder Wirklichkeit zelebriert.