München, 7. Juni 2024. In diesem Kommentar analysiert Dr. Ulf Riker, Vorsitzender des LV Bayern, Internist / Homöopathie & Naturheilverfahren, die Lage nach dem Deutschen Ärztetag und ruft zum gezielten handeln für die Homöopathie auf.

Der 128. Deutsche Ärztetag hat mit knapper Mehrheit von 116 „Ja“ zu 97 „Nein“-Stimmen einem kurzfristig eingebrachten Antrag zugestimmt, Homöopathie aus Praxen und Apotheken zu eliminieren. Die Begründung ist nicht nur faktenwidrig, sondern für alle homöopathisch qualifizierten Kolleginnen und Kollegen auch ehrenrührig: Homöopathie sei „in der Regel keine mit rationaler Medizin, dem Gebot der bestmöglichen Behandlung sowie einem angemessenen Verständnis medizinischer Verantwortung und ärztlicher Ethik vereinbare Option“.

116 Delegierte unterstellen uns also, dass wir keine rationale Medizin betreiben und dass wir verantwortungslos und unethisch arbeiten. Das ist harter Tobak und grenzt an Verleumdung!

Unsere Antwort darauf kann nur sein: diese Delegierten lassen nicht nur ein Mindestmaß an kollegialer Fairness vermissen, sie machen auch deutlich, dass ihre Positionierung bestenfalls auf Meinung, Hörensagen oder Ideologie beruht. Sie machen sich einer eigenwilligen und willkürlichen Deutung dessen schuldig, was Wissenschaft sei oder aus ihrer Sicht eben nicht sein kann: sie missachten komplett die aktuelle Studienlage zur Homöopathie, beziehen sich auf inzwischen überholte Quellen und machen sich gar nicht erst die Mühe, sich auf den aktuellen Sachstand zu bringen. Dieses (!) Prozedere entbehrt jeder Verantwortlichkeit und widerspricht ärztlicher Ethik.

Nicht genug, dass damit auch die Vertrauensbasis zwischen Patient:innen und ihren Ärzt:innen torpediert wird. Es ist ein Akt der Spaltung der Ärzteschaft in die „Rationalen“ und „Irrationalen“, in die „Verantwortungsbewussten“ und „Verantwortungslosen“, in die „ethisch Korrekten“ und die „ethisch Verkommenen“. Es ist – ohne jede Not oder menschliche Vernunft – die Übernahme von spalterischem Verhalten, worunter unsere Gesellschaft zunehmen leidet.

Der Ärztetag bläst Wind in die Segel des Gesundheitsministers, der es auch zu keinem Zeitpunkt für nötig befunden hat, mit Patientinnen und Patienten oder Ärztinnen und Ärzten zum Thema Homöopathie (und anthroposophische Medizin) Kontakt auf zu nehmen oder ins Gespräch zu kommen. Anfragen des DZVhÄ blieben ohne substantielle Antwort. Aus dem ursprünglichen Referenten-Entwurf aus dem Hause Lauterbach ist zwar für den Augenblick die Eliminierung der Homöopathie wieder gestrichen worden, aber wer Lauterbach kennt darf getrost annehmen, dass er Mittel und Wege suchen wird, sein Anliegen auf parlamentarischen Umwegen und mit entsprechenden Tricks durchzusetzen. Vermutlich soll sich der Effekt der sehr erfolgreichen Petition mit rund 200.000 Unterschriften erst mal wieder verflüchtigen, Menschen vergessen ja so schnell!

Unsere Aufgabe wird es nun sein, Politiker aller demokratischen Parteien, aber auch die mediale Öffentlichkeit mit den vorliegenden wissenschaftlichen Daten zu konfrontieren, die sich aus dem jüngsten systematischen Review über 5 Metaanalysen zur Homöopathie (Hamre et al. 2023, wir haben mehrfach berichtet) ergeben haben: Homöopathie wirkt über den Placebo-Effekt hinaus!

Ebenso müssen wir mehr denn je auch die Ergebnisse der Grundlagenforschung sowie der Versorgungsforschung offensiv kommunizieren. Gerade erst hat Prof. Baumgartner auf unserem zurückliegenden Homöopathie-3-Länder-Kongress in Lindau den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung noch einmal exakt dargestellt (und wurde dafür mit dem „Samuel“ für den besten Vortrag des Kongresses geehrt!).

Ohne Zweifel müssen wir uns auch juristisch fachlich beraten lassen. Dafür werden wir uns die erforderliche Kompetenz einholen (und vermutlich auch Geld in die Hand nehmen müssen).

Aber wir müssen auch unsere Patientinnen und Patienten dazu ermutigen und auffordern, selbst aktiv in den öffentlichen Diskurs um die Homöopathie einzugreifen: mit Testimonials, mit Leser- bzw. Hörer- / Zuschauer-Briefen, mit Schriftsätzen an „ihre“ Politikerinnen und Politiker oder in Gesprächen mit ihren konventionell arbeitenden Haus- oder Fachärzten.

Es geht nicht um ein Gegeneinander von konventioneller Medizin und Homöopathie, sondern ein situationsgerechtes und verantwortungsbewusstes Miteinander!

Dies in den Köpfen der Menschen zu verankern, durch ständige und authentische Wiederholung: das wird die Aufgabe der nächsten Zeit sein! Dazu brauchen wir Sie und uns alle! Wir müssen in unserem persönlichen und politischen Umfeld aktiv werden: nicht zuletzt auf dem Boden der evidenzbasierten Medizin, die auch uns ein Anliegen ist und zu der auch die Homöopathie gehört.